Nach zweieinhalb Wochen auf den Philippinen
kehrte Team 2 am Mittwochmorgen nach Deutschland zurück.
Petra Isenhuth, Apothekerin für AoG, beschreibt Ihre Eindrücke und Erfahrungen während des Einsatzes:
Für mich war es der erste Einsatz in der
Katastrophenhilfe – an der Seite vieler erfahrener Teammitglieder, was mir von
Anfang an ein gutes Gefühl gab.
Nun gilt es, die vielen Eindrücke zu verarbeiten
und im “normalen” Apothekenalltag wieder anzukommen...
Immer im Gedächtnis bleiben wird mir unsere
Ankunft in Tacloban nach dem Flug von Cebu mit einer Transportmaschine der
südkoreanischen Armee. Am Anfang verschanzte ich mich hinter meiner Kamera,
aber als ich sie zur Seite legte, war das Ausmaß der Zerstörung für mich nur
schwer als real anzunehmen.
Bei unserer Ankunft in San Joaquin wurden wir
von Team 1 sowie dem Pfarrer und zahlreichen Kindern herzlich begrüßt. Für zwei
Nächte waren wir nun 24 Leute im Camp, etwas eng, aber gut machbar. Schnell wurden
uns die wichtigsten Verhaltensregeln erklärt ( – immer festes Schuhwerk – unten
am Fluss gibt es Schlangen! – kein Papier in die Toilette!!!!!) und so
lebensnotwendige Einrichtungen wie eben diese “Toilette” – einziges
stehengebliebenes Fragment des einst an dieser Stelle gestandenen Wohnhauses
sowie die Dusche – Marke Eigenbau, betrieben mit Wasser aus der Trinkwasseraufbereitungsanlage (TWA) - gezeigt.
Danach gab es eine kurze Besichtigung der Basis-Apotheke, dabei packten Petra und Steffi aus Team 1 nebenher je eine Mobilapotheke, denn am nächsten Tag sollte es
Einsätze in der Umgebung des Camps geben. Für die Basis-Apotheke waren dann
bereits Andrea und ich verantwortlich.
Nach erstaunlich gutem Schlaf – liebe Koreaner,
danke für die Ohrstöpsel! – steigt das Medi-Team voll in die Arbeit ein und
Andrea und ich versorgen die Patienten. Viele unserer Patienten haben trockenen
Reizhusten – und da die Dorfbewohner begonnen haben, alles an zerstörter Habe,
was brennbar ist zu verbrennen, reizt die rauchgeschwängerte Luft noch
zusätzlich die Atemwege. “Cough and Cold” – Husten und Erkältung- werden die
häufigsten Vokabeln sein, die uns neben den Erklärungen zur Einnahme in den
nächsten Tagen umgeben werden.
Einen weiterer Schwerpunkt bilden Verletzungen –
die Dorfbewohner räumen auf, und in den seltensten Fällen tragen sie dabei
festes Schuhwerk – weil sie einfach keines mehr besitzen.
Zu nähende Wunden und Tetanusimpfungen sind an
der Tagesordnung.
Am Abend kehren die beiden “mobilen”
Apothekerinnen zurück, insgesamt über 100 Patienten wurden außerhalb des Camps
versorgt. Und an uns die Info, dass es lohnt, nach weiteren Einsatzorten
außerhalb San Joaquins zu suchen.
Das Abendessen – EPA’s (Einmannpackungen) mit klangvollen Namen wie
“Südamerikanisches Gemüsechilli” oder “Indische Reispfanne” wecken bei mir
Erwartungen...- am Ende ist aber nur wichtig, dass man etwas gegessen hat. Und
trinken, trinken, trinken – mindestens drei Liter am Tag, Navis-Wasser mit
Getränkepulver, damit neben der Flüssigkeit auch die herausgeschwitzten
Elektrolyte ersetzt werden.
Der nächste Morgen beginnt mit dem Verabschiedung von Team 1. Allen ist die Freude auf zu Hause anzumerken... Unsere Ärzte starten eine Erkundungsfahrt, um weiteren Bedarf an medizinischer Versorgung aufzuklären. Sie sind erfolgreich: an den folgenden Tagen werden wir neben den ca. 60 Patienten im Basiscamp täglich weit über 100 mobile Patienten an Orten, wo es keine medizinische Betreuung gibt, untersucht und mit Medikamenten versorgt haben. Mir macht die Arbeit im Mobil-Team großen Spaß – da Andrea sich um die Beschaffung neuer Medikamente kümmern will, fahre ich häufig mit raus, wie z.B. nach Mayorga südlich von San Joaquin, wo uns ca. 150 Patienten bereits vor den Toren der Schule erwarten. Bis auf eine kurze Mittagspause im klimatisierten Auto (nur, damit unser Impfstoff gekühlt werden kann!) ziehen wir bis zum Einbruch der Dunkelheit durch. Dennoch stehen immer noch Patienten vor uns, so dass wir am nächsten Tag die Arbeit hier fortsetzten, bis wir mittags in ein Flüchtlingscamp in der Nähe fahren. Auch hier werden wir sehnsüchtig erwartet – “Commandante” – die höchstens 1,45 m große, frisch in ihr Amt gewählte Chefin hat unter einem Zeltschleppdach einen Platz für unsere Ärzte und die Apotheke vorbereitet. Hier haben die Menschen oft gar nichts mehr, so dass ich z.B. auf die Frage nach einem vorhandenen Teelöffel oft ein Kopfschütteln ernte und mir zwecks der Dosierung etwas einfallen lassen muss. Trotz allem ist bei allen Dankbarkeit und Freundlichkeit immer zu spüren – viele greifen nach meiner Hand, um sich zu bedanken...
Nach dem schnell vergangenen ersten Wochenende geht es für die folgende Woche in eine kleine Klinik nach Dulac, ca. 1/2 Stunde Fahrt. Zwei Tage begleitet Andrea die beiden Ärzte, dann fahre ich wieder mit raus. Am Ende werden wir während unseres Einsatzes fast 1500 Patienten behandelt und versorgt haben – ein unglaublich gutes Gefühl!
Am Sonntag, den 8. Dezember, einen Monat nach dem
Disaster, begeht unser Dorf einen Gedenktag. Nach dem Gottesdienst sitzen viele
an den Gräbern vor der Kirche und trauern um getötete oder vermisste
Familienmitglieder. Ich finde ein Pappschild mit der Aufzählung von 22 Namen
einer Familie und darunter “...died on 8.Nov.”...
Und dennoch ergibt man sich hier nicht seinem
Schicksal, erstarrt nicht in Trauer und Lethargie, sondern packt an und räumt
auf, übernimmt Verantwortung füreinander, kümmert sich um jedes Dorfmitglied.
Der Liebevolle Umgang – vor allem mit den Kindern – und die Achtung und
Ehrerbietung gegenüber den Alten werden mir immer im Gedächtnis bleiben.
Trotz aller Zerstörung, allen Leids – ein
schönes Gefühl, dabei gewesen zu sein und geholfen zu haben!!
(In Deutschland angekommen, stelle ich fest,
dass das Thema “Hayan” aus den Medien nahezu verschwunden ist...)
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